Der Luchs – unsere größte heimische Katze

 

Die Bezeichnung „Luchs“ ist eigentlich ungenau, denn es gibt vier heute lebende Luchsarten: Den Eurasi­schen Luchs (Lynx lynx), den Pardelluchs (Lynx pardinus), den Kanadischen Luchs (Lynx canadensis) und den Rotluchs (Lynx rufus) (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Die vier Luchsarten.

Abb. 1: Die vier Luchsarten – von links oben nach rechts unten: Der Eurasi­sche Luchs (Lynx lynx), der Pardelluchs (Lynx pardinus), er kommt ausschließlich auf der iberischen Halbinsel vor, der Kanadische Luchs (Lynx cana­densis), er lebt in Kanada sowie in den US-Bundestaaten Alaska, Oregon, Idaho, Wyoming und Colorado, und der Rotluchs (Lynx rufus), er lebt vom äußersten Süden Kanadas über fast die gesamten Vereinigten Staaten bis nach Mexiko.

 

Zusätzlich werden beim Eurasischen Luchs neun Unterarten be­schrie­ben, von denen bisher sechs offiziell anerkannt sind, beim Rotluchs sind zwei Unterarten nachgewiesen, zwei weitere sind noch nicht bestä­tigt (Kitchener et al. 2017, von Arx 2020). Der Pardelluchs und der Kanadische Luchs werden aktuell als monotypisch eingeordnet – bei ihnen sind damit keine Unterarten bekannt (Kitchener et al. 2017).

 

Wenn wir in Mitteleuropa vom „Luchs“ sprechen, ist der Eurasische Luchs gemeint. Er war in Europa einst von den Pyrenäen bis zum Ural verbreitet und fehlte nur auf einigen Inseln und in wald­freien Habitaten (Kü­stengebiete, Bereiche nördlich des Polarkreises, Hochgebirge, Hemmer 1993).

 

Die Lebensräume des Luchses sind große Waldareale. Offene Landschaften nutzt er in Europa nur randlich und temporär, z. B. Waldlichtungen bei der Nahrungssuche oder Jungluchse bei Wanderungen zur Suche nach eigenen Revieren. Das be­vor­zug­te Habitat von Luchsen sind alt- und totholzreiche, kleinräumig struk­turierte Wälder mit Lichtungen und felsigen Abhän­gen. Er lebt in Europa von Meereshöhe bis auf 2.500 m. (Haller 1992, Hemmer 1993, Hofrichter & Berger 2004).

 

In Mitteleuropa wurde der Luchs von Menschen ausgerottet: 1850 in Deutschland, 1903 in Frankreich, 1904 in der Schweiz und 1918 in Österreich (Kalb 2007). In Westeuropa gab es bis zur Wiederansiedelung lange Zeit keine Luchse mehr.

 

Die erste inoffizielle Wiederansiedlung erfolgte im tschechisch-deutschen Grenzgebiet im Bereich Šuma­va/Bayerischer Wald. Man schätzt, dass es sich um fünf bis zehn Tiere han­delte (Wölfl et al. 2001, Ende 2020), vermutlich konnten sich diese Luchse aber nicht halten.

 

Ab 1971 begann die Schweiz wilde Luchse aus den Karpaten anzu­siedeln, ein bis heute erfolgreiches Pro­jekt.

 

1976 wurden neun Luchse aus der Slowakei in der Steier­mark ausgesetzt – leider ohne bleibenden Erfolg.

 

In den 1980er Jah­ren wurden 17 Luchse aus den Karpaten im Gebiet des heutigen Šumava-Nationalparks in Tschechien aus­gewildert, von ihnen stammen die Luchse der Böhmisch-Bayerisch-Österreichischen Po­pu­lation ab (Volfová & Toman 2018, Bufka & Červený 2019, Ende 2020), die schwankend zwischen 70 und 120 Luchse umfasst, bei aber lediglich 33 reproduzierenden Luchsinnen (Wölfl et al. 2020, Ende 2020).

 

In Deutschland startete ein Wiederansiedlungsprojekt im Harz im Jahr 2000 (jährlich Auswil­derungen von in Summe 24 Luchsen bis 2006). Das Besondere daran: Es waren keine Wildfänge, sondern in Ge­hegen ge­borene Luchse. Wiederansiedlungen des Luchses im Harz waren zuvor über drei Jahrzehnte im­mer wieder durch absurdeste Einwendungen verhindert worden (Festetics 1998, Anders 2016).

 

Luchswiederansiedelungen mittels Wildfängen aus der Slowakei und der Schweiz erfolgten im grenzüber­schreitenden Le­bensraum Pfälzerwald-Vosges du Nord in den Jahren 2015 bis 2021 (Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz 2021).

 

Obwohl die Wiederansiedelungsprojekte bis heute fortgesetzt werden, bleiben die Populationen vielfach klein und sie sind nicht miteinander verbunden, so dass kein ausreichender genetischer Austausch erfolgen kann:

  • Österreich gibt den Gesamtbestand mit 26 Luchsen an (Umweltbundesamt 2019), die in drei, nicht verbundenen Gebieten leben: Im Grenzgebiet zu Tschechien, in den Kalkalpen und in Vorarlberg.
  • Deutschland nennt 58 Luchse (Bundesamt für Naturschutz 2019) verteilt auf drei Kleinpopula­tionen im Bayerischen Wald, im Harz und im Pfälzerwald.
  • Frankreich schätzt den Luchsbestand auf 263 Individuen (Muséum national d'Histoire naturelle 2019), verteilt auf den Jura und die Alpen.
  • In der Schweiz leben 254 Luchse (Stiftung KORA 2022). Sie teilen sich auf die Jura- und Alpenpo­pulation auf, die bislang kaum im Austausch stehen.

In Europa werden elf Luchspopulationen unterschieden (siehe Tab. 1), von denen aber nur drei als unge­fähr­det eingestuft werden konnten: die baltische Population mit im Mittel 1.350 Luchsen, die Karpaten­po­pulation mit 2.250 und die karelische Population mit 2.500 Luchsen.

Tab. 1: Die elf Populationen des Eurasischen Luchses (Lynx lynx) in Europa mit Angabe der Indivi-duenzahl (Stand: 2016), des Gefähr­dungsgrads ( LC  = ungefährdet,  VU  = gefährdet,  EN  = stark gefährdet,  CR  = vom Aussterben be­droht), des Entwicklungstrends ( = zunehmend, = gleich-bleibend, = abnehmend, = stark abnehmend, ? = noch unbekannt, da die Wiederansiedlung erst vor wenigen Jahren begonnen hat) und dem genetischen Zustand (Anteil heterozygoter (mischer-biger) Individuen innerhalb einer Population: = gut, = mittel, = schlecht) sowie der Staaten, die Anteil an der jeweiligen Population haben (von Arx 2020, Ende 2020, Breitenmoser et al. 2021).

Population Indivi-duen Gefähr-dung Trend Genetischer Zustand

Staaten mit Anteil an der Popula­tion

Alpen 163

 EN 

- Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Österreich, Schweiz, Slowenien.
Balkan 30

 CR 

  Albanien, Kosovo, Nordmazedonien.
Baltikum 1.350

 LC 

  Belarus, Estland. Lettland, Litauen, Polen, Ukraine.

Bayern-Böhmen-Österreich

70  CR  - Deutschland, Österreich, Tschechien.
Karpaten 2.250  LC    Bulgarien, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ukraine, Ungarn.

Dinariden

130  EN   - Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Slowenien.
Harz 46  CR    Deutschland.
Jura 140

 EN 

  Frankreich, Schweiz.
Karelien 2.500  LC    Finnland.
Skandinavien 1.550

 VU 

  Norwegen, Schweden.
Vogesen-Pfälzerwald 13  CR  ? Deutschland, Frankreich.

Beeindruckende Einblicke in das Luchsleben liefern die in der Fachzeitschrift „Plume de Naturalistes“ veröf­fent­lichten Artikel von Regazzoni (2022a und 2022b, in französisch) sowie die zuge­hörigen Videos aus dem französischen Jura (sprachneutral):



Quellen:

ANDERS, O. (2016): Die Auswilderung des Luchses im Harz, in: Leipziger Blaue Hefte, Tagungsband I zum 8. Leipziger Tier­ärztekongress, 3 pp.

 

BREITENMOSER, C., BREITENMOSER, U., VOGT, K., VON ARX, M., MOLINARI, A., ZIMMERMANN, F., BÜRKI, R., KUNZ, F. & STAUFFER, C. (2021): 50 Jahre Luchs in der Schweiz, KORA Bericht Nr. 99, Sep­tem­ber 2021, 80 pp.

 

BUFKA, L. & ČERVENÝ, J. (2019): Body weight and body dimensions of Eurasian lynx (Lynx lynx) in the Bo­hemian Forest (reintroduced „Bohemian-Bavarian-Austrian“ population), in: Silva Gabreta, Vol. 25, pp. 25-30.

 

Bundesamt für Naturschutz (2019): Deutscher Bericht gemäß Artikel 17 FFH-Richtlinie für die Berichtsperi­ode 2013-2018, Annex B – Report format on the 'main results of the surveillance under Article 11' for Annex II, IV & V species, 719 pp.

 

ENDE, L. (2020): Der Luchs in Österreich – Situationsanalyse von Bestand, Maßnahmen der Bundesländer und Aussichten, herausgegeben von den Österreichischen Bundesforsten & Naturschutzbund Österreich, November 2020, 28 pp.

 

FESTETICS, A. (1998): Die Wiederansiedlung des Luchses – Erfahrungen aus den Ostalpen für den Harz, in: Beiträge zur Naturkunde Niedersachsens, 51. Jahrg., Heft 3, pp. 131-148.

 

HALLER, H. (1992): Zur Ökologie des Luchses Lynx lynx im Verlauf seiner Wiederansiedlung in den Walliser Alpen, Mammalia depicta, Vol. 15, 64 pp.

 

HEMMER, H. (1993): Felis (Lynx) lynx Linnaeus, 1758, Luchs, Nordluchs, pp. 1119-1167, in: STUBBE, M. & KRAPP, F. (Ed.): Handbuch der Säu­ge­tiere Europas, Band 5: Raubsäuger–Carnivora (Fissipedia), Teil II: Mustelidae 2, Viverridae, Herpestidae, Felidae.

 

HOFRICHTER, R. & BERGER, E. (2004): Der Luchs – Rückkehr auf leisen Pfoten, 160 pp.

 

KALB, R. (2007): Bär, Luchs, Wolf: Verfolgt, Ausgerottet, Zurückgekehrt, 376 pp.

 

KITCHENER, A. C., BREITENMOSER-WÜRSTEN, C., EIZIRIK, E., GENTRY, A., WERDELIN, L., WILTING, A., YAMAGUCHI, N., ABRAMOV, A. V., CHRISTIANSEN, P., DRISCOLL, C., DUCKWORTH, J. W., JOHN­SON, W., LUO, S.-J., MEIJAARD, E., O’DONOGHUE, P., SANDERSON, J., SEYMOUR, K., BRUFORD, M., GROVES, C., HOFFMANN, M., NOWELL, K., TIM­MONS, Z. & TOBE, S. (2017): A revised taxonomy of the Felidae, IUCN/SSC Cat Specialist Group, Cat News Special Issue 11, 80 pp.

 

Muséum national d'Histoire naturelle (2019): Französischer Bericht gemäß Artikel 17 FFH-Richtlinie für die Berichtsperiode 2013-2018, Annex B – Report format on the 'main results of the surveillance under Article 11' for Annex II, IV & V species, 1.361 pp.

 

Stiftung KORA (2022): Bestand des Luchses in der Schweiz, 2010-2019, 2 pp.

 

Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz (Ed., 2021): Projekt „Wiederansiedlung von Luchsen (Lynx lynx carpathicus) im Biosphärenreservat Pfälzerwald“, Projektbericht zu LIFE13 NAT/DE/000755, 9 pp.

 

Umweltbundesamt (2019): Österreichischer Bericht gemäß Artikel 17 FFH-Richtlinie für die Berichtsperiode 2013-2018, Annex B – Report format on the 'main results of the surveillance under Article 11' for Annex II, IV & V species, 1765 pp.

 

VOLFOVÁ, J. & TOMAN, L. (2018): Návrat rysa na Šumavu ve 2, polovině 20, století, in: Vlastivědný Sborník Muzea Šumavy X, pp. 397-415.

 

VON ARX, M. (2020): Lynx lynx, in: The IUCN Red List of Threatened Species, 20 pp.

 

WÖLFL, M., BUFKA, L., ČERVENÝ, J., KOUBEK, P., HEURICH, M., HABEL, H., HUBER, T. & POOST, W. (2001). Distribution and status of lynx in the border region between Czech Republic, Germany and Austria, in: Acta Theriologica, Vol. 46, June 2001, pp. 181-194.

 

WÖLFL, S., MINÁRIKOVÁ, T., BELOTTI, E., ENGLEDER, T., SCHWAIGER, M., GAHBAUER, M., VOLFO­VÁ, J., BUFKA, L., GERNGROSS, P., WEINGARTH, K., BEDNÁŘOVÁ, H., STRNAD, M., HEURICH, M., POLEDNÍK, L., ZÁPOTOČNÝ, Š. (2020): Lynx Monitoring Report for the Bohemian-Ba­varian-Austrian Lynx Population in 2018/2019, August 2020, Report prepared within the 3Lynx project, funded by Interreg Central Europe programme, 27 pp.


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