Informationen zur Biodiversität


Seit einigen Jahren hört man den Begriff „Biodiversität“. Die Biodiversität – auch als „biologische Vielfalt“ oder „Vielfalt des Lebens“ bezeichnet – ist die Grundlage für ein Leben auf unserem Planeten.

 

Aufgrund der außerordentlichen Bedeutung und der extremen Bedrohung der biologischen Vielfalt haben die Vereinten Nationen mit der Resolution 65/161 [1] die Jahre 2011-2020 als „United Nations Decade on Biodiversity“ ausgerufen.

 

Definition ▪ Der Begriff „Biodiversität“ wurde 1985 von ROSEN eingeführt und erstmals 1988 in der Öffentlichkeit durch das von WILSON herausgegebene Buch „Biodiversity“ [2] bekannt. Vier Jahre später war der Begriff durch die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, bei der das Übereinkommen über die biologische Vielfalt [3] unterzeichnet wurde, weltweit verbreitet.

 

„Biodiversität“ wird im Übereinkommen über die biologische Vielfalt definiert als „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfaßt die Vielfalt innerhalb der Arten [4] und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme.“ [5].

 

Neben den drei im Übereinkommen angeführten Biodiversitätsebenen wird heute auch die funktionelle Bio­diversität, also die Vielfalt ökologischer Funktionen und Prozesse in und zwischen Ökosystemen, betrachtet.

 

Vielfalt der Ökosysteme (Ökosystem-Diversität) ▪ Bei der „Vielfalt der Ökosysteme [6]“ werden die Lebensgemeinschaften der jeweiligen Biotope betrachtet. Je mehr unterschiedliche Biotoptypen pro Fläche gegeben sind, desto höher ist in der Regel die Artenvielfalt.

 

Das findet allerdings dort seine Grenze, wo das Minimumareal für Arten und Lebensgemeinschaften unterschritten wird und somit die Kleinbiotope aufgrund der geringen Ausdehnung nur noch von wenigen Arten besiedelt werden können. Diese Grenzen sind artspezifisch sehr unterschiedlich.

 

Insbesondere beim Schutz von Tierarten ist es wesentlich, dass die zum Überleben erforderlichen, teils komplexen Lebensräume mit zahlreichen Teilhabitaten in erreichbarer Entfernung zueinander bestehen.

 

Beispiel Fledermäuse: Das größte Angebot an Wochenstuben ist nicht nutzbar, wenn die spezifischen Nahrungshabitate der jeweiligen Fledermausarten nicht in erreichbarer Entfernung vorhanden sind. Es ist daher nicht nur wichtig, die Wochenstuben zu erhalten, sondern ebenso die benötigten Nahrungshabitate in der nahen Umgebung.

Abb. 1: Feucht- und Moorwiesen, Hecken, Gewässer und Wald sind die auf dem Foto sichtbaren Ökosysteme.
Abb. 1: Feucht- und Moorwiesen, Hecken, Gewässer und Wald sind die auf dem Foto sichtbaren Ökosysteme.

Eine naturfördernde Landnutzung, bei der ein kleinteiliges Mosaik aus Feucht- und Trockenwiesen, Äckern, Rainen, Steinwällen, Hecken, Streuobstwiesen, alten Bäumen, Totholz etc. besteht, ist dazu in der Lage, die benötigte Vielfalt der Ökosysteme und somit einer großen Artenzahl einen Lebensraum zu bieten.

 

Die heute überwiegend praktizierte industrialisierte Land- und Forstwirtschaft mit großen monotonen Bewirtschaftungseinheiten [7] führt hingegen zu einer starken Reduzierung der Biotopdiversität und in weiterer Folge zur gravierenden Abnahme der Artenvielfalt.

 

Wie MAXWELL et al. (2016) [8] einmal mehr feststellen mussten, sind die Land- und Forst­wirtschaft die „big killers“ der Artenvielfalt, weit vor der klassischen Umweltverschmutzung oder dem Klimawandel, welche im Negativranking die Plätze 5 und 7 einnehmen.

Abb. 2: Reich gegliedertes Ackerland mit Rainen, Gehölzen und unterschiedlichen Kulturen bietet zahlreichen Arten einen Lebensraum (links) und eine monotone, lebensfeindliche Ackerfläche (rechts).
Abb. 2: Reich gegliedertes Ackerland mit Rainen, Gehölzen und unterschiedlichen Kulturen bietet zahlreichen Arten einen Lebensraum (links) und eine monotone, lebensfeindliche Ackerfläche (rechts).
Abb. 3: Ein Wald als Lebensraum vieler Arten (links) und ein monotoner Fichtenforst, in dem kaum etwas lebt (rechts).
Abb. 3: Ein Wald als Lebensraum vieler Arten (links) und ein monotoner Fichtenforst, in dem kaum etwas lebt (rechts).

Natürliche oder naturnahe Wälder sind heute in Mitteleuropa sehr selten geworden. Um sich in Erinnerung zu rufen, wie ein die Biodiversität fördernder Wald aussieht, sind Werke realistischer Landschaftsmaler hilfreich (siehe beispielsweise Abb. 4).

Abb. 4: Die Gemälde von Walter Moras (* 1856, † 1925) zeigen die reich gegliederten Habitate natürlicher Wälder in Mitteleuropa mit Felsen, Feuchtflächen, Fließgewässern, unterschiedlichen Baumarten in allen Altersklassen.
Abb. 4: Die Gemälde von Walter Moras (* 1856, † 1925) zeigen die reich gegliederten Habitate natürlicher Wälder in Mitteleuropa mit Felsen, Feuchtflächen, Fließgewässern, unterschiedlichen Baumarten in allen Altersklassen.

Vielfalt zwischen den Arten (taxonomische Diversität) ▪ Diese Biodiversitätsebene wird durch die Zahl der Arten bestimmt, die innerhalb eines festgelegten Untersuchungsgebiets – dies kann z. B. ein ausgewählter Lebensraum, ein Tal, ein Gebirge, ein Staat oder die gesamte Biosphäre sein – leben.

Abb. 5: Eine Wiese mit hoher Artenvielfalt (links) und eine monotone Ackerfläche mit geringstem Wert zur Erhaltung der Vielfalt des Lebens (rechts).
Abb. 5: Eine Wiese mit hoher Artenvielfalt (links) und eine monotone Ackerfläche mit geringstem Wert zur Erhaltung der Vielfalt des Lebens (rechts).

Wie viele Arten es auf der Erde gibt, ist unbekannt. Es wurden bisher rund 1,75 Millionen Arten dokumentiert. In der Wissenschaft besteht Einigkeit darüber, dass die bekannten Arten nur einen kleinen Teil der Gesamtartenzahl ausmachen. Die Schätzungen zur Gesamtzahl gehen jedoch weit auseinander: Häufig werden 13 bis 30 Millionen Arten genannt [9], eine jüngere Veröffentlichung geht hingegen von Billionen Arten aus [10]. Dieser gravierende Unterschied resultiert aus den bisher nicht oder nur sehr unzureichend berücksichtigten Kleinst­lebewesen aus der Welt der Pilze, Bakterien etc.

 

Weltweit betrachtet, sind tropische Regenwälder und Korallenriffe bekannte Hotspots der Artenvielfalt. In Europa findet man eine große Artenzahl beispielsweise in mediterranen Hartlaubwäldern, auf Trocken- und Kalkmagerwiesen oder in Auwaldgebieten. So werden in unzerschnittenen, großflächigen, gut erhaltenen Auwäldern unter anderem regelmäßig über 1.000 Käferarten, 400-500 Großschmetterlingsarten und über 150 Vogelarten festgestellt [11].

 

Vielfalt innerhalb der Arten (genetische Diversität) ▪ Innerhalb von Arten unterscheidet sich der genetische Bauplan weiter. Die genetische Diversität entwickelt sich z.B. aufgrund klimatischer Anpassungen oder aus Gründen der Tarnung in Form unterschiedlicher Farbgebungen entsprechend des Lebensraums (siehe Abb. 6).

 

Die genetische Diversität ist entscheidend für das Überleben einer Population: einerseits ist eine minimale genetische Variabilität zur Vermeidung von Inzucht erforderlich, andererseits die notwendige Individuenzahl zur genetischen Anpassung an Umweltveränderungen.

 

Durch gezielte Züchtung erzeugt auch der Mensch bei den für ihn interessanten Pflanzen- und Tierarten eine genetische Diversität. Die Vielfalt der Kulturpflanzen und Haustierrassen ist durch politische Vorgaben, die darauf abzielen, nur die nach ökonomischen Wünschen (Transportfestigkeit, Einheitlichkeit, Ertragsmaximierung etc.) veränderten Sorten und Rassen zuzulassen, zwischenzeitlich ebenfalls gefährdet [12].

Abb. 6: Waldkauz (Strix aluco) als graue und rote Morphe [13].
Abb. 6: Waldkauz (Strix aluco) als graue und rote Morphe [13].

Vielfalt ökologischer Funktionen und Prozesse (funktionelle Diversität) ▪ Hierfür wird die Vielfalt der Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Elementen und Hierarchieebenen innerhalb und zwischen Ökosystemen untersucht. Die Vielfalt ökologischer Funktionen und Prozesse wird nicht explizit im Übereinkommen über die Biologische Vielfalt genannt, ergibt sich aber letztlich aus der Schutzverpflichtung in Artikel 1, nämlich der „Erhaltung der biologischen Vielfalt“, die nur dann erreicht werden kann, wenn alle ökologischen Funktionen und Prozesse erhalten werden.

 

Der „Wert“ der Biodiversität ▪ Viele Menschen neigen dazu, nur dann etwas zu schätzen, wenn diesem Gut ein Wert beigemessen wird. Diese irrationalen menschlichen Wertefestlegungen gipfeln beispielsweise in der Bereitschaft, für ein kleines Stück Kohlenstoff – dann, wenn wir es als Diamant bezeichnen – Millionen Euro zu bezahlen [14].

 

Aus diesem Wertschätzungsgedanken heraus entstand die Idee, die Biodiversität monetär zu bewerten, was aber letztlich nicht zielführend sein kann. Am Beispiel einer Amsel soll die Unmöglichkeit dieser Bewertung in Geldeinheiten gezeigt werden:

  • Nimmt man den Verkaufserlös von Fleisch und Federn, so ist die Amsel einige wenige Euro wert.
  • Ermittelt man die Leistungen, die die Amsel für den Menschen dadurch erbringt, dass sie die „Schäd­linge“ in der Land- und Forstwirtschaft reduziert, dann kommen wir sicher auf einige hundert Euro.
  • Unmöglich wird eine Bewertung aber spätestens dann, wenn ein Geldbetrag für den wunderbaren Gesang der Amsel festzulegen ist – hier stoßen wir an unüberwindbare Grenzen … oder wollen wir tatsächlich überlegen, wie viel Antidepressiva durch den Amselgesang als „Seelennahrung“ eingespart werden können?

Spätestens dann, wenn man sich vor Augen führt, dass jede Art, jedes Individuum, einen Teil zur Aufrecht­erhaltung des gesamten Ökosystems beiträgt und auch das Überleben des Menschen zwingend von einem funktionierenden Ökosystem abhängt, kommt man zu dem Schluss, dass die Biodiversität – also „die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme“ mit all ihren ökologischen Funktionen und Prozessen – unbezahlbar ist.

 

Die Motivation, Arten und Lebensräume nur deshalb zu erhalten, weil wir sie für den Menschen in irgendeiner Weise als nützlich erkannt haben, ist falsch und völlig unzureichend. Jedes Ökosystem, jede Art und jede genetische Diversität innerhalb einer Art – die, die wir kennen und die vielen, die wir bislang noch nicht einmal entdeckt haben – sind einmalig und unersetzlich.

Quellen

[1] United Nations, General Assembly (2011): Resolution adopted by the General Assembly on 20 December 2010 65/161: Convention on Biological Diversity.
[2] WILSON, E. O. (Hrsg., 1988): Biodiversity, National Academy of Sciences & Smithsonian Institution, ISBN: 0-309-56736-X, 531 S.
[3]

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, kurz „CBD“) wurde am 05. Juni 1992 im Rahmen der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro unterzeichnet und trat am 29. Dezember 1993 in Kraft [Konventionstext von 1992 in englisch und deutsch, Version vom 04. Januar 2017 in deutsch].

Sowohl die EU (genehmigt 1994), als auch alle EU-Mitgliedsstaaten haben das Übereinkommen unterzeichnet und sind Übereinkommensparteien: Belgien (seit 1997), Bulgarien (1996), Dänemark (1994), Deutschland (1994), Estland (1994), Finnland (1994), Frankreich (1994), Griechenland (1994), Großbritannien (1994), Irland (1996), Italien (1994), Kroatien (1997), Lettland (1996), Litauen (1996), Luxemburg (1994), Malta (2001), Niederlande (1994), Österreich (1994), Polen (1996), Portugal (1994), Rumänien (1994), Schweden (1994), Slowakei (1994), Slowenien (1996), Spanien (1994), Tschechien (1994), Ungarn (1994), Zypern (1996).

Ergänzend wurden im Jahr 2000 das Cartagena-Protokoll (in Kraft seit 11. September 2003) und im Jahr 2010 das Nagoya-Protokoll (in Kraft seit 12. Oktober 2014) angenommen. Die CBD-Staaten haben diese Zusatzprotokolle nicht zwingend übernommen – Beispiele: Die Schweiz und Deutschland haben beide Zusatzprotokolle ratifiziert, Österreich nur das Cartagena-Protokoll, Liechtenstein keines der beiden Zusatzprotokolle.

[4] Arten (lat. „Species“) sind Gruppen von Individuen mit charakteristischen gemeinsamen Artmerkmalen (äußere oder genetische), die in Gestalt, Physiologie und Verhalten soweit übereinstimmen, dass sie sich von anderen Individuengruppen abgrenzen lassen, wobei die (zweigeschlechtlichen) Organismen in der Lage sind, fertile Nachkommen zu erzeugen („potentielle Fortpflanzungsgemeinschaft“). Die wissenschaftlichen Artnamen bestehen immer aus zwei Teilen: aus dem großgeschriebenen Gattungsnamen und dem kleingeschriebenen zweiten Namensteil, der in der Botanik als Epitheton und in der Zoologie als Artnamen bezeichnet wird – Beispiele: Betula pubescens (Moor-Birke), Helianthus annuus (Sonnenblume), Talpa europaea (Europäischer Maulwurf), Passer montanus (Feldsperling).
[5] Eine Gleichsetzung der Begriffe „Artenvielfalt“ und „Biodiversität“, ist schon aufgrund der Definition im Übereinkommen über die biologische Vielfalt nicht korrekt: Die Artenvielfalt ist nur ein Teil der Biodiversität.
[6] „Ökosystem“ ist in der CBD definiert als „einen dynamischen Komplex von Gemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie deren nicht lebender Umwelt, die als funktionelle Einheit in Wechselwirkung stehen“.
[7]

Dies auch dann, wenn aus politischen oder rechtlichen Gründen eine technisierte Land- und Forstwirtschaft fern jeder Tatsachen als „traditionelle Wirtschaftsweise“ oder „gute land- bzw. forstwirtschaftliche Praxis“ bezeichnet wird.

[8] MAXWELL, S. L., FULLER, R. A., BROOKS, T. M. & WATSON, J. E. M. (2016): The ravages of guns, nets and bulldozers, in: Nature, Volume 536, August 2016, S. 143-145.
[9] Siehe beispielsweise HAMMOND, P. (1995): The current magnitude of biodiversity, S. 113-138, in: HEYWOOD, V. H. & WATSON, R. T. (Hrsg.): Global Biodiversity Assessment oder CRACRAFT, J. (2002): The seven great questions of systematic biology, an essential foundation for conservation and the sustainable use of biodiversity, S. 127–144, in: Annals of the Missouri Botanical Garden, Band 89, Heft 2.
[10] LOCEYA, K. J. & LENNONA, J. T. (2016): Scaling laws predict global microbial diversity, in: PNAS, Band 113, Heft 21, Mai 2016, S. 5970-5975.
[11] Siehe beispielsweise KLAUS, G., SCHMILL, J., SCHMID, B. & EDWARDS, P. (2001): Biologische Vielfalt, Perspektiven für das Neue Jahrhundert – Erkenntnisse aus dem Schweizer Biodiversitätsprojekt, 174 S.
[12] Gegen die Reduktion der Kulturpflanzen und Haustierrassen wenden sich beispielsweise in Deutschland der Dreschflegel e. V. und das Netzwerk der Dreschflegel Saatgutvermehrer, in Österreich der Verein Arche Noah, in der Schweiz die Stiftung ProSpecieRara, in Frankreich die Association Kokopelli etc.
[13]

Als Morphe wird das Erscheinungsbild (Phänotyp) von Individuen einer Art bezeichnet, wobei darunter nicht nur die äußerlichen Merkmale verstanden werden, sondern ebenso die physiologischen Eigenschaften und die Verhaltensmerkmale.

[14] Beispielsweise wurde der knapp 3 Gramm wiegende Diamant „Oppenheimer Blue“ im Mai 2016 für 57,5 Millionen Dollar (51,3 Millionen Euro) versteigert.

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