Save the Blue Heart of Europe

Abb. 1: Die Quelle der Cetina in Kroatien.
Abb. 1: Die Quelle der Cetina in Kroatien.

Unverbaute, kristallklare Flüsse mit einer atemberaubenden Artenvielfalt können wir uns in Mitteleuropa kaum mehr vorstellen. Auf dem Balkan gibt es diese natürlichen Lebensräume noch.

 

Gerade laufen wir aber Gefahr, auch diese letzten Schätze in Europa zu verlieren – zu verlieren an Konzerne, deren Gier unersättlich ist.


An den von SCHWARZ (2017) untersuchten Fließgewässern des Balkan haben 11 Staaten in unterschiedlichem Ausmaß einen Anteil: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Slowenien und die Türkei.

 

Mit Stand 2017 sind in diesem Gebiet 2.796 Wasserkraftwerke geplant und 188 bereits im Bau.

37 % der geplanten Wasserkraftprojekte liegen in hochrangigen Naturschutzgebieten, davon 118 in Nationalparks und 547 in Natura 2000-Gebieten (SCHWARZ 2017).

Abb. 2: Die Savica in Slowenien beim Zusammenfluss der Quellflüsse Mala Savica (links) und Velika Savica (rechts).
Abb. 2: Die Savica in Slowenien beim Zusammenfluss der Quellflüsse Mala Savica (links) und Velika Savica (rechts).

Jeder einzelne Kraftwerksbau zieht schwere Eingriffe in die Fließgewässer selbst und in die Landökosysteme im nahen und weiteren Umfeld des Flusses nach sich:

  • Die Wanderungsmöglichkeit für die Fließgewässerbewohner wird blockiert. Dadurch werden Laichgebiete unerreichbar und der genetische Austausch unterbrochen. Die Wanderbewegungen sind für den Fortbestand zahlreicher Arten unverzichtbar.
  • Die natürliche Gewässerdynamik wird unterbrochen – der Fluss wird abschnittweise zum See. Es kommt zu verstärkter Sedimentation und in weiterer Folge zu Verschlammung der für biologische Prozesse unersetzlichen Lebensräume in den Kieslücken des Gewässerbettes. Diese reichen von der Nutzung als Reproduktionshabitat bis hin zum Dauerlebensraum unterschiedlicher Tier- und Pflanzenarten. Die Zerstörung des vielfältigen Lebens am und im Gewässerboden führt in weiterer Folge auch zur Unterbrechung der Nahrungskette.
  • Durch die Überflutung im Staubereich und die Reduzierung der Wassermenge unterhalb des Kraftwerks werden wertvolle Lebensräume wie Auwälder, Wiesen etc. vernichtet.
  • Es kommt zu schwerwiegenden Veränderungen des Geschiebetransports [1]. Dabei ist die regelmäßige Umlagerung des Sohlsubstrats eine Voraussetzung zum Fortbestand oder zur Entstehung von Laichbiotopen. Auch sind konkurrenzschwache Pflanzenarten, wie die gefährdete Tamariskenart Myricaria germanica, auf natürliche Umwälzungen im Fluss angewiesen, ohne die sie nicht bestehen können.
  • Durch die Blockadewirkung des Querbauwerks wird das Sohlmaterial nicht mehr flussabwärts transportiert. Hierdurch kommt es zu einer Eintiefung des Flussbetts und damit zur Grundwasserabsenkung mit gravierenden Folgen für benachbarte grundwasserabhängige Landökosysteme.
  • Durch regelmäßige Stauraumspülungen [2] wird eine große Zahl von Lebewesen auf mehrere Kilometer Flusslänge ausgelöscht.
  • Die lange Verweildauer des Wassers im Staubereich sowie der niedrige Wasserstand unterhalb der Aufstauung führen zur Erwärmung der Fließgewässer. Mit der Wassererwärmung nimmt gleichzeitig der Sauerstoffgehalt des Wassers ab. Das Gewässerleben wird so in zweierlei Hinsicht geschädigt und die natürliche Artenzusammensetzung im Fluss verändert.

Abb. 3: Neben den zahlreichen Fischarten sind viele weitere Arten für ihr Überleben auf unverbaute, natürliche Fließgewässer angewiesen (zum Vergrößern, bitte Bilder anklicken).

Abb. 4: Die Leshnitsa in Bulgarien.
Abb. 4: Die Leshnitsa in Bulgarien.

Noch leben in den Balkanflüssen 69 Fischarten, die es weltweit nur hier gibt. Diese endemischen Arten können nur überleben, wenn in ihren Lebensräumen keine Wasserkraftwerke errichtet werden.

 

Ebenso leben mehr als 40 % aller in Europa gefährdeten Süßwassermollusken in den Fließgewässern des Balkan – ihre Bestände wurden anderswo bereits hochgradig geschädigt

Abb. 5: Die Mündung der Koritnica (links) in die Soča in Slowenien.
Abb. 5: Die Mündung der Koritnica (links) in die Soča in Slowenien.

Auch wenn …

  • Umweltorganisationen erfolgreich gegen Genehmigungen von Wasserkraftwerken an den Balkanflüssen klagen (EURONATUR et al. 2016 [4], RIVERWATCH & EURONATUR 2017 [5])
  • ein internationales Forscherteam im Bereich eines geplanten Wasserkraftwerks „die unfassbare Vielfalt und Komplexität dieser Landschaft“ belegen konnte und feststellte: „Viele Tier- und Pflanzenarten, die an europäischen Fließgewässern längst verschwunden sind, konnten hier in großer Häufigkeit nachgewiesen werden“ (siehe auch GRAF et al. 2017) [6],
  • der ständige Ausschuss der Berner Konvention von Mazedonien verlangt, Wasserkraftwerke jedenfalls in Schutzgebieten zu untersagen (EURONATUR et al. 2017) [7]
  • und das Europäische Parlament im Erweiterungsbericht zu Albanien feststellt, dass die Umweltauswirkungen von Wasserkraftwerken oft nicht richtig bewertet werden, und der albanischen Regierung empfiehlt, die Vjosa über ihre gesamte Länge als Nationalpark auszuweisen sowie auf jegliche Wasserkraftwerke im Einzugsbereich des Flusses zu verzichten (EUROPEAN PARLIAMENT 2017) [8]

… zeigt die Flut von Kraftwerksplänen und -bewilligungen, dass Regierungen und Industrie weiterhin alles daran setzen, die Natur in ihrer ganzen Vielfalt zu vernichten.

Abb. 6: Die Reka in Slowenien.
Abb. 6: Die Reka in Slowenien.

Zwar ist und bleibt es die Aufgabe der Behörden, geltendes Recht wie die Wasserrahmen-, FFH- und Vogelschutzrichtlinie anzuwenden und internationale Verträge wie die Berner Konvention und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt umzusetzen.

 

Stattdessen führt die tatsächliche Bewilligungspraxis aber dazu, dass man sich von der Erreichung der durch Rechtsnormen und Übereinkommen festgelegten Ziele immer weiter entfernt. Dies belegt der sich unaufhörlich verschlechternde Erhaltungszustand der Lebensräume und Arten zweifelsfrei.

 

Der Schutz der Natur wird daher regelmäßig durch unabhängige Naturschutzorganisationen, die ihren Auftrag ernst nehmen, durchzusetzen sein, was aufwändige wissenschaftliche Untersuchungen und Gerichtsverfahren erforderlich macht.

 

Der Wert, den die Menschen der Vielfalt des Lebens beimessen, zeigt sich daher nicht zuletzt in der Bereitschaft, den Einsatz, den effektive, konsequente und unabhängige NGOs für die Erhaltung der Biodiversität leisten, zu unterstützen ... im Wasserrecht z.B. RiverWatch, EuroNatur oder Protect.

Abb. 7: Die Valbona in Albanien.
Abb. 7: Die Valbona in Albanien.

Petitionen

Bitte unterstützen Sie die Petitionen …

Bilder und Videos

Die nachfolgenden Bilder geben einen kleinen Einblick in die Schönheit der Balkanflüsse (zur Vergrößerung bitte auf das erste Foto klicken):

Trailer zur „Save the Blue Heart of Europe“-Kampagne [englisch, Dauer: 2:58 min]:

Interviews zur Biodiver­sität der Balkan-Flüsse [deutsch mit englischen Untertiteln, Dauer: 4:04 min.]:

Interviews zu den Gefährdungen der Balkanflüsse [deutsch mit engl. Untertiteln, Dauer: 3:32 min.]:

Quellen und Begriffserläuterungen

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[7]

 

 

 

 

[8]

SCHWARZ, U. (2017): Wasserkraftprojekte auf dem Balkan, Daten-Update 2017, Fluvius Vienna im Auftrag von EuroNatur und River Watch, Zusammenfassung, 3 S. [PDF] + grafische Auswertungen (13 S.) [PDF].

 

Geschiebe: Die von einem Fließgewässer an seinem Grund transportierten Feststoffe (Sand, Kies, Geröll). Dabei ist die Fließgeschwindigkeit ausschlaggebend dafür, wie groß die transportierten Objekte sein können: Bei 0,3 m/s können Grobsand (bis 1,7 mm Korngröße) transportiert werden, bei 0,7 m/s Grobkiese (bis 9,2 mm), bei 1,7 m/s bis 1,5 kg schweres Geröll, bei 2 m/s bis zu 20 cm große Blöcke (HUTTER 1996).

 

Stauraumspülung: Aufgrund der Unterbrechung des Geschiebetransports im Staubereich des Wasserkraftwerks sammeln sich im Stauraum Sedimente, die das nutzbare Volumen immer weiter verringern. Mit der Stauraumspülung werden Schlämme und Sande durch Öffnen der Wehrklappen oder Grundablässe mit hohem Druck in den Flusslauf unterhalb des Kraftwerks gespült und bewirken dort durch den Wasserdruck, die Sauerstoffzehrung und den Verschluss der Kieslücken ein ökologisches Desaster.

 

EuroNatur, RiverWatch & Front 21/42 (2016): Pressemitteilung „Verwaltungsgericht stoppt Genehmigung für Wasserkraftwerk im Mavrovo Nationalpark“ [Mazedonien], in: Save the Blue Heart of Europe, 13. Mai 2016 [HTML].

 

RiverWatch & EuroNatur (Hrsg., 2017): Albanisches Gericht stoppt Staudammprojekt an der Vjosa, in: Save the Blue Heart of Europe, 03. Mai 2017 [HTML].

 

GRAF, W., BAUERNFEIND, E., BEQUIRAI, S., DUDA, M., FRANK, T., GUNCZY, J., HECKES, U., HESS, M., KUNZ, G., MEULENBROEK, P., PAILL, W., RABITSCH, W. & VITECEK, S. (2017): The Fauna of the Vjosa River and the Adjacent Floodplain at Poçem, 23 pp. [PDF].

 

EuroNatur, Eko-svest, Front 21/42, Bankwatch & Riverwatch (2017): Presseerklärung „Berner Konvention: Mazedoniens Regierung wird aufgefordert, den Bau von WKWs im Mavrovo-Nationalpark zu stoppen“, in: Save the Blue Heart of Europe, 11. Dezember 2017 [HTML].

 

European Parliament (2017): 2016 Report on Albania – European Parliament resolution of 15 February 2017 on the 2016 Commission Report on Albania (2016/2312(INI)), P8_TA(2017)0036, Februar 2017, 10 pp. [pt 31 and 32, PDF].


Weiterführende Informationen


Links zu Petitionen

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